eine heilpädagogische Pflegefamilie in Berlin

Vater: Lehrer mit Erfahrungen an Sonaßerschulen für Behinderte und verhaltensauffällige Schüler. Mutter: früher Einzelhandelskauffrau, hat ihren Beruf aufgegeben, um Pflegemutter zu werden.

Zu unserer 1980 geborenen Tochter kam 1986 eine Pflegetochter mit Spina bifida (angeborene Querschnittslähmung) und später ein weiteres Pflegekind (geb. 92) mit einer spastischen Behinderung.

Zu dieser „Kernfamilie“ wird jeweils ein Kind in Kurzzeitpflege aufgenommen.

Vom ersten Kontakt mit dem Jugendamt bis zur ersten Aufnahme vergingen zwei Jahre: Anträge, Bescheinigungen, Fragebögen, psychologischer Test der ganzen Familie… und immer wieder Wartezeiten.

Der Besuch der Berliner Pflegeelternschule für heilpädagogische Pflegeeltern war besonders wertvoll.

Inzwischen haben wir viele gute Erfahrungen mit dem Jugendamt gemacht und fühlen uns sehr gut betreut, Wenn einige Pflegeeltern von ihren Schwierigkeiten mit Ämtern berichten, wissen wir das besonders zu schätzen.

Die wichtigsten Erziehungsziele sind für uns Lebensfreude, Beziehungsfähigkeit und Selbständigkeit.

Die Integration der behinderten Kinder verlangt besonders aufmerksame Pflege der Beziehungen zu Nachbarn, Freizeiteinrichtungen und Schule; die Auswahl der Wohnung, des Automodells und des Urlaubsortes werden davon weitgehend bestimmt.

Der Besuch der Therapieeinrichtungen ist teilweise sehr zeitaufwendig, Hilfsmittel und viele Elemente der Krankengymnastik werden zu Hause übernommen.

Die Belastung für die Kinder durch die Notwendigkeit häufiger medizinischer Behandlung versuchen wir möglichst gering zu halten durch intensive Vorbereitung und Begleitung, vom Rollenspiel bis zum Rooming-in.

Das Problem, dass in solchen Zeiten die anderen Kinder ein Manko in der Zuwendung verspüren, darf nicht vergessen werden und wird ausgeglichen durch Unternehmungen und Reisen, bei denen das einzelne Kind die ungeteilte Zuwendung hat und seine persönlichen Interessen gefördert werden.

Die Einarbeitung in medizinische Fachliteratur, politischer Einsatz für bessere Einrichtungen, Öffentlichkeitsarbeit in Selbsthilfegruppen erschien unerlässlich.

Kinder in Kurzzeitpflege bleiben zwischen zwei Wochen und neun Monaten in unserer Familie. Wir verstehen den Aufenthalt dann nicht als Übernahme eines Kindes, sondern als Unterstützung einer Familie in einer schwierigen Situation, so dass der Kontakt zur Herkunftsfamilie besonders gepflegt wird. Das kann im einfachsten Fall der regelmäßige Besuch mit dem Kind bei der Mutter im Krankenhaus sein.

Wir bringen das Kind zur gewohnten Kindergartengruppe oder Schule und gehen am Nachmittag zum Spielplatz in Wohnortnähe, wo es seine Freunde treffen kann. Besonders gern laden die größeren Kinder ihre Freunde zu uns ein, um ihnen das Zimmer, die Spielsachen usw. zu zeigen. Einige Pflegekinder kommen uns auch später noch besuchen, manche jahrelang.

Eine besondere Aufgabe stellt sich, wenn die Mutter des Kindes besondere Unterstützung braucht, zum Beispiel bei täglichen Besuchen an die spezielle Versorgung ihres Kindes herangeführt und zu Arztbesuchen und Therapien mit dem Kind begleitet wird.

Wenn die Therapieschiene eingefädelt ist und die Mutter immer mehr die Versorgung und Verantwortung übernimmt, können wir uns in gleichem Maße zurücknehmen. Es kann sich aber auch zeigen, dass die leibliche Mutter sich immer mehr aus dem Projekt zurückzieht und für das Kind eine andere dauerhafte Perspektive gefunden werden muss.

Die Situation mit den zwei Müttern ist für alle Beteiligten sehr schwierig, ein Konkurrenzdenken ist völlig abträglich, wenn alle das Beste für das Kind anstreben.

Die Zusammenarbeit von Eltern, Pflegeeltern und Jugendamt ist wichtig, um für das Kind und seine Familie die bestmögliche Lösung zu finden.